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Vertrauensarbeitszeit: Definition, Pro und Contra

Letzte Aktualisierung: 29/04/2014 | Arbeitsleben

Definition, Erklärung

Eine einfache Definition zur Vertrauensarbeitszeit gibt es nicht, da das Spektrum sehr weit reicht: Gleitzeitmodelle, völlige Abschaffung der Zeiterfassung, eigenverantwortliche Regelung der Arbeitszeit usw.. Es handelt sich grundsätzlich um eine Form der Arbeitsorganisation, weniger um eine Form der Arbeitszeit. Der Arbeitgeber legt eine bestimmte Arbeitszeit innerhalb eines Zeitfensters fest, in dem eine bestimmte Arbeit zu erbringen ist.

Im Vordergrund der Vertrauensarbeitszeit steht der Aspekt, eine Aufgabe zu erledigen. Damit verliert die Präsenz des Arbeitnehmers zu bestimmten Zeiten an Bedeutung. Der Arbeitgeber vertraut bei der Vertrauensarbeitszeit darauf, dass der Arbeitnehmer eigenverantwortlich die ihm obliegende Arbeitsleistung erbringt. Dazu gehört auch, für die rechtzeitige Erfüllung der Arbeit zu sorgen. In Zeiten von wenig Arbeit wird die Arbeitszeit nicht „abgesessen“ sondern zugunsten erbrachter Überstunden reduziert. Im Gegenzug wird erwartet, dass der Arbeitnehmer bereit ist, Überstunden zu leisten, wenn viel Arbeit vorhanden ist. Eine besondere Vergütung oder ein Zeitausgleich erfolgt in diesem Fall nicht.

Unabhängig von der Vertrauensarbeitszeit sind die gesetzlichen und tariflichen Arbeitszeitregelungen vom Arbeitgeber weiterhin einzuhalten.

Die Vertrauensarbeitszeit hat folgende Pro und Contra:

  • Ausgleich konjunktureller und saisonaler Schwankungen
  • Reduzierung von Personalkosten
  • Höhere Produktivität und geringerer administrativer Aufwand
  • Flexibler Umgang mit Arbeitszeit und damit mehr Spielraum bei mehr bzw. weniger Arbeit
  • Erfordert Vertrauenskultur
  • Förderung von Qualifikation, unternehmerischem Denken und Eigenverantwortlichkeit
  • Größere Gestaltungsspielräume für die individuelle Lebensgestaltung der Arbeitnehmer
  • Hohe Anforderungen an Sozialkompetenz aller, Selbstmanagement der Arbeitnehmer und Führungskompetenz der Vorgesetzten
  • Höhere Mitarbeiterzufriedenheit
  • Keine Führung von Arbeitszeitkonten und keine Kontrolle der Arbeitszeit, z.B. durch Arbeitszeiterfassungssysteme
  • Gefahr der „Ausbeutung“ der Mitarbeiter und Verschlechterung des Arbeitsklimas durch vermehrte Überstunden ohne Einkommensausgleich und Weitergabe von Druck auf andere Kollegen

Verbreitet ist die Vertrauensarbeitszeit mittlerweile in Branchen wie Softwareentwicklung, Projektarbeit, Multimedia, Telekommunikation.

Die Vertrauensarbeit erfordert eine Betriebsvereinbarung und eine Zielvereinbarung mit dem Mitarbeiter, in der Ziele, Zeitfenster, Reaktionen bei „Störungen“ festgelegt werden.

Die Leistungsbeurteilung des Mitarbeiters orientiert sich bei der Vertrauensarbeitszeit auf die erbrachten Arbeitsergebnisse. Häufig ist damit eine Vergütung durch ein leistungsabhängiges Arbeitsentgelt verbunden.

Aufzeichnungspflicht bei Vertrauensarbeitszeit

Nach § 16 Abs. 2 ArbZG ist der Arbeitgeber verpflichtet, Arbeitszeiten, die über die tägliche Arbeitszeit von maximal 8 Stunden bei einer 5-Tage-Woche hinausgehen, aufzuzeichnen. Aus diesen Aufzeichnungen muss auch der Ausgleich dieser Mehrarbeit hervorgehen. Die Dokumentation der Arbeitszeit ist wenigstens 2 Jahre aufzuheben (Aufbewahrungspflicht des Arbeitgebers).

Nachteile der Vertrauensarbeitszeit

Die Vertrauensarbeitszeit ist trotz ihrer Vorteile für den Mitarbeiter, nämlich der flexiblen Gestaltung der Arbeitszeit, nicht unumstritten. Hauptkritikpunkt ist, dass Arbeitszeiten immer weniger eingehalten werden und vermehrt Überstunden geleistet werden, die nicht mehr bezahlt oder ausgeglichen werden. Durch die Hintertür werden längere Arbeitszeiten eingeführt ohne Lohnausgleich. Zudem werden die Mitarbeiter hinsichtlich ihrer Kollegen einem schlechten Gewissen und einem größerem Leistungsdruck ausgesetzt, wenn sie die normalen Arbeitszeiten einhalten, während die Kollegen Überstunden machen. Die Verantwortung über die Einhaltung gesetzlicher und tariflicher Bestimmungen zur Arbeitszeit wird auf diese Weise vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer verlagert.

Tipps, Checkliste

Als Arbeitgeber:

  • Achten Sie darauf, dass die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes und des Arbeitsschutzgesetzes (gelten nicht bei leitenden Angestellten) eingehalten werden, insbesondere die der Höchstarbeitszeit pro Werktag, der Ruhepausen, des Beschäftigungsverbots an Sonn- und Feiertagen und der zwingenden Ruhezeiten. Arbeitszeiten, die über 8 Stunden pro Tag hinausgehen, sind aufzuzeichnen
  • Die Nachweispflicht der geleisteten Arbeitszeit durch den Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat besteht weiterhin. Achten Sie deshalb darauf, dass der Arbeitnehmer Zeitaufzeichnungen vornimmt
  • Führen Sie Kontrollen durch, inwieweit die Mitarbeiter ihre Arbeitszeit aufzeichnen
  • Nehmen Sie die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht ernst. Bei Verstößen kann dies als Ordnungswidrigkeit mit Geldstrafen bis zu 15.000 € bestraft werden
  • Regeln Sie die Vertrauensarbeitszeit in der Betriebsvereinbarung, im Tarifvertrag oder individuell im Arbeitsvertrag. Beziehen Sie dabei den Betriebsrat ein und berücksichtigen Sie so dessen Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte

Als Arbeitnehmer:

  • Bei der Vertrauensarbeitszeit ist die Gefahr gegeben, dass die Arbeitszeit von den Arbeitsaufgaben entkoppelt wird. Schreiben Sie daher Ihre geleisteten Arbeitszeiten regelmäßig auf
  • Sprechen Sie Ihren Vorgesetzten an, wenn Arbeitszeiten aus dem Ruder laufen und Sie für ein Projekt regelmäßig Überstunden leisten müssen
  • Gerade wenn die Überstunden sehr viele werden und nicht mehr durch Zeitausgleich abgebaut werden können, sollten Sie auf einer Vergütung bestehen
  • Achten Sie hinsichtlich Ihrer Gesundheit auf regelmäßige Pausen
  • Reden Sie mit Ihrem Vorgesetztem, dem Betriebsrat über Arbeitszeitober- und  -untergrenzen

Arbeitsrecht, Urteile

  • Urteil 1 ABR 13/02 vom 06.05.2003
    Betriebsrat darf Einhaltung der Arbeitszeit überwachen

Informationsquellen

Literatur